100 Jahre OG Mehrstetten Teil 9

Die Tu-do – Liste bei der Ortsgruppe war groß und wurde durch immer neue Ideen auch nicht kleiner. Und so nebenbei gab es immer noch den Jahresplan mit vielen Wanderungen und Veranstaltungen kultureller Art abzuarbeiten. Ohne zwischen Erwachsenenortsgruppe und Jugendgruppe zu unterscheiden waren da die vielen Tages- und Halbtageswanderungen, die Ferienwanderungen (fast immer über 14 Tage), die Familien-Wochenendwanderfahrten und Familien-Wochenendwanderungen zu den Albvereins – Wanderheimen, Skifreizeiten, Besuche von Volkstanzkursen, Vortragsabende mit eigenen und fremden Referenten, Altenausflüge für alle über 60-jährigen Bürger, Seminarabende, Anlage eines Naturlehrpfades auf Kahlenbühl, Erhalt der alten Mehrstetter Tracht usw.. Die Liste könnte noch um einige Punkte erweitert werden.                                                                                                                         Das konnte alles natürlich nur mit einem sehr rührigen Vertrauensmann gelingen. Manchmal war dieser auch so rührig, dass bei einem Wochenendausflug in den Bregenzer Wald eines Abends plötzlich zwei Musiken dastanden um die Ausflügler zu unterhalten… Was dem Spaß aber keinen Abbruch tat und sorgte dafür, dass heute noch darüber gesprochen wird.

Einige der angesprochenen Punkte verdienen es, näher betrachtet zu werden. So zum Beispiel der Naturlehrpfad. Manche Stunde verging bei der näheren Planung. Da zufälligerweise bei der Innenrenovierung der Kirche alte Kirchenbänke ersetzt werden mussten, konnte man einige davon erwerben. Das alte Holz schien sehr gut geeignet für die Erläuterungstafeln am Wegesrand. Die Bearbeitung übernahm ein Holzfachmann des Vereins. Aber was sollte darauf stehen? Auch hier gab es im Verein einen absoluten Fachmann, nämlich Dr. Christian Eberhardt, den Leiter des Landwirtschaftsamtes in Münsingen. Mit dem Revierförster Frieder Klumpp zusammen wurden die zu bezeichnenden Pflanzen und Bäume bestimmt. Dazu kam noch eine ganz besondere Idee: Die Namen der Pflanzen und ihrer Früchte sollten zusätzlich auf Schwäbisch aufgeführt werden. Schon die Suche in einem umfang- reichen schwäbischen Wörterbuch sorgte für sehr viel Heiterkeit. Beispiel gefällig? Da stand beim Weißdorn natürlich dieser Name, aber da stand auch: Früchte: Buabahägala. Man stelle sich Fremde Besucher, vielleicht auch noch aus einem anderen Sprachgebiet, vor diesem Schild vor!

Eine besondere Erwähnung verdienen auch die Altenausflüge, die der Albverein zusammen mit der Gemeinde unternahm. Einmal im Jahr sollten die Ältesten des Dorfes – wohlgemerkt kostenlos – mit dem Omnibus unterwegs sein, Dinge sehen und kennenlernen, die sie vielleicht aus Gesprächen oder aus der Zeitung kannten, unbeschwert bei Kaffee und Kuchen und einem Vesper mit Viertele zusammen- sitzen, singen, erzählen und lachen. Das war noch vor der Zeit, wo monatliche Altennachmittage organisiert wurden – auch ein Dank des Albvereins an die ältere Generation. Schloss Lichtenstein, Maßhalderbuch, das Gestüt in Marbach, die Schlosskirche des Malefizschenk in Oberstadion, Burg Derneck, Blaubeuren und die Weidacher Hütte, um nur einige Ziele zu nennen, standen auf dem Programm.

Ganz nebenbei bemühten sich einige Albvereinler darum, die alten Mehrstetter Frauentrachten aufzufinden und zu bewahren. Sie sollten die einfachen blauen Dirndl bei Auftritten ablösen.

Am Ende war aber hier, wie bei so vielen Dingen, der schwierigste Punkt die Finan- zierung! Geld war immer knapp beim Albverein. Wie schon immer musste der größte Teil des Jahresbeitrages an den Hauptverein in Stuttgart überwiesen werden, und die Ortsgruppe hielt den Aufschlag auf den Beitrag, der bei der eigenen Kasse blieb, bewusst gering.

 

Neben all diesen Unternehmungen sollen aber auch einige der Highlights dieser 60er und 70er Jahre nicht vergessen werden.

Dazu zählte mit Sicherheit das 50-jährige Jubiläum der Ortsgruppe Mehrstetten im Jahr 1970. Die Rührigkeit der Ortsgruppe und der Jugendgruppe hatte sich so weit herumgesprochen, dass selbst der Vorsitzende des Hauptvereins, Direktor Dr. Fahrbach aus Stuttgart auf den Weg nach Mehrstetten machte, um zu gratulieren und beim Jubiläumsfamilienabend dabei zu sein. Hier gaben alle ihr Bestes. Die Tänze der Jugendgruppe, Willi und Karl Ziegler zusammen mit Friedl und Walter Preising, die Tanzmusik der Musikkapelle und die Laienspieler der Jugendgruppe machten den Abend zu einem unvergesslichen Ereignis.

Nicht zu vergessen auch in dieser Zeit das Engagement der Jugendgruppe zusammen mit jungen Leuten der Landjugend, unterstützt vom Jugendwart der Bauern- schule Bad Waldsee, die in einem vierwöchigen Zeitraum ein Seminar zum Umwelt- und Naturschutz erarbeitet hatten mit dem Thema: „Tod auf Raten“. An vier Vorrags- und Diskussionsabenden ging es dabei um den Einsatz von Bioziden und Insektiziden und Mastzusätzen in der Landwirtschaft, um die Reinhaltung von Ge- wässern und die gesundheitlichen Auswirkungen. Namhafte Referenten stellten sich den Diskussionen, u. a. der damalige Landwirtschaftspräsident Geprägs und der Direktor des Wasserwirtschaftsamtes und Mitarbeiter der Südwestpresse in Ulm und Dr. Werner Oesterle aus Mehrstetten.

Es war ein Versuch der Jugendgruppe, um aus der Ecke der Volks- und Heimattümelei herauszutreten und zu zeigen: Nicht nur Brauchtum und Volksgut zu pflegen, sondern sich auch aktiv dafür einzusetzen, dass dies alles wert sei zu er- halten.

Und für diesen Erhalt setzte sich der Albverein auch immer wieder stark ein. Das zeigte sich ganz besonders auch beim Erwerb der alten Mehrstetter Tracht, teils durch Kauf alter, noch vorhandener Trachten, teils auch durch Neuanfertigungen. Das wurde möglich durch zwei Dinge: Einmal hatte sich die Finanzlage des Albvereins (wie auch anderer Vereine) durch die Veranstaltung von Tanzabenden in der Turnhalle drastisch verbessert, zum anderen konnte man sich der Musikkapelle an- schließen, die sich ebenfalls für diese Tracht entschieden hatte.