100 Jahre OG Mehrstetten Teil 5

Neuanfang nach dem Krieg

Nach dem verlorenen Krieg lag alles darnieder. Alle mussten schauen, wie man mit dem Leben zurechtkommen konnte.                                                                           Auch in Mehrstetten waren viele nicht mehr aus dem Krieg heimgekehrt: gefallen, vermisst, in Gefangenschaft. Für die Daheimgebliebenen war vieles wichtiger als Vereinsarbeit.                                                                                                                Und dennoch waren die Ideen und Erinnerungen da oder wurden wachgerufen, so zum Beispiel als zwei Urgesteine des Mehrstetter Albvereins wegstarben.                            Als erster starb 1946 der langjährige Vertrauensmann, Metzgermeister Karl Reutter, der seit der Gründung 1920  bis zu seinem Tod 26 Jahre lang die Geschicke des Vereins geleitet hatte. Ihm folgte mit seinem Tod 1947 der langjährige Schriftführer Fritz Eberhardt.

Mit einem kurzen Eintrag im Protokollbuch wird ihrer in Ehren gedacht.

Besonders Vertrauensmann Karl Reutter wurde schmerzlich vermisst. Auch in schwieriger Zeit hatte er den Verein zusammen gehalten, hatte Veranstaltungen organisiert und nicht selten tagte der Ausschuss in seinem Wohnzimmer, sicher nicht zum Nachteil der Auschussmitglieder, die den Einladungen des Metzgermeisters gerne folgten.

Mittlerweile schrieb man das Jahr 1947. Die französische Militärregierung wachte streng über die Umtriebe in den Gemeinden, und ohne ihre Genehmigung ging nicht viel.                                                                                                                                      Da schlug nun die Stunde eines weiteren Urgesteins des Mehrstetter Albvereins. Ludwig Eberhardt, der voller Stolz immer mit seinem Beruf „Rottenführer“ (um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: bei der Eisenbahn) unterschrieb, gab keine Ruhe. Seine Liebe gehörte dem Verein, und er machte sich unermüdlich daran, die alten Kameraden wieder zu aktivieren und die Behörden davon zu über- zeugen, dass die gute Sache des Albvereins es wert sei, eine Genehmigung zur Neugründung zu erhalten.

Mit der Genehmigung der französischen Militärregierung war es am 22. Juli 1947 so weit. Ludwig Eberhardt konnte auf 3 Uhr nachmittags zur Neugründungsversammlung in das Gasthaus zum Hirsch einladen. Zehn Mitglieder waren der Einladung gefolgt und wählten den ersten Ausschuss der neu erstandenen Ortsgruppe.

Vertrauensmann wurde Ludwig Eberhardt, Rottenführer. Ihm wurde auch das Amt des Kassenwarts anvertraut. Sein Stellvertreter wurde Eugen Breitinger. Zum Schriftführer wurde Karl Ziegler gewählt. Ein weiteres Ausschussmitglied wurde Georg Ziegler.

Weitere Planungen, z.B. für Wanderungen oder Veranstaltungen zur Werbung neuer Mitglieder konnten vor der behördlichen Genehmigung und Eintragung des Vereins nicht angegangen werden und wurden deshalb zurückgestellt.

Darin drückte sich auch die Vorsicht und eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den französischen Militärbehörden aus, die überall das letzte Sagen hatten. Die damaligen Ausschussmitglieder fanden das erstmals in Ordnung, wollten sie doch erst zu sich selbst und Wege finden, wie man „die Liebe zur Heimat und zu der Sache des Vereins im inneren Kern wachsen lassen konnte“, wie es Schriftführer Karl Ziegler im Protokoll ausführte.

Die offizielle Genehmigung für die OG Mehrstetten durch die französische Militärregierung erfolgte im folgenden Jahr, am 4. Juni 1948.

In einer Sitzung des Ausschusses am 27. Juni 1948 wurde die behördliche Genehmigung der OG Mehrstetten zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig der vierteljährliche Tätigkeitsbericht bearbeitet, der den Behörden vorgelegt werden musste. Erste Wanderungen waren schon durchgeführt worden, die Schriftführer Karl Ziegler ausführlichst beschrieb, auch das Vesper auf dem Gießstein auf dem Weg zum Schloss Lichtenstein „…wo bei herrlicher Aussicht dieses (das Vesper) besonders gut schmeckte und nachträglich an die schwindelfreien Kinder sogar noch ein Nachtisch in Form von Ohrfeigen mit Flüchen und Gelächter verteilt werden konnte.“

Diese Zeit des Aufbruchs in eine neue Epoche der Albvereinsortsgruppe Mehrstetten ist nicht nur eine Geschichte des „weiter so wie damals“; die Aufschriebe vor allem von Karl Ziegler zeugen auch von internen Auseinandersetzungen und Bestrebungen einer Neufindung.                                                                                                        Besonders seine Nachforschungen über die Entwicklung der Ortsgruppe beflügelten Karl Ziegler. So hatte er herausgefunden, dass seit 1893 unter der Leitung von Pfarrer Bentel eine locker organisierte Gruppe von etwa 10 Leuten im Sinne und als Mitglieder des Albvereins tätig waren, aber eben keine eigene Ortsgruppe gründeten. Dies geschah erst 1920 mit Karl Reutter. Die Mitgliederzahlen  stiegen im Gründungsjahr schon auf 66 und bis 1923 auf 128. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen (Inflation; Weltwirtschaftskrise) und der sich abzeichnenden politischen Entwicklungen (Nationalsozialismus) zeigten sich deutlich daran, dass ab 1924 die Mitgliederzahlen ständig sanken. Parteigebundene Organisationen machten ab der Machtergreifung 1933 durch die Nationalsozialisten allen Vereinen das Überleben immer schwerer. 1935 waren es nur noch 22 Männer und Frauen, die dem Albverein die Treue hielten. Im Jahr der Neugründung 1947 waren es noch 18. Natürlich hatte auch der Krieg seinen Tribut gefordert.

Es war jetzt eine herausfordernde Zeit, und die brauchte Ideen, die die Begeisterung vor allem auch der Jugend und jungen Erwachsenen wecken konnte.

Fortsetzung folgt