100 Jahre OG Mehrstetten Teil 10

Natürlich waren die Jahre ab 1977 Jahre voller Ereignisse, die man nicht vergessen darf.

Mit dem Übergang des Amtes des Vertrauensmannes an Walter Späth wurde ersichtlich, dass dieser auch den Elan seines Vorgängers mit übernommen hatte und eigene Ideen mit einbrachte.                                                                                        Eine dieser Ideen war die Instandsetzung der Rauen Hüle beim Fohlenhof.                    Dies wurde auch zügig umgesetzt. Das hört sich leicht an, war aber doch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Mit viel Verhandlungsgeschick und unter Mithilfe von Behörden und dem Entgegenkommen der Besitzer des „Fohlenhof“ konnte der Plan umgesetzt werden – ein Kanal konnte gegraben werden, der die Wasserversorgung der Hüle sicherte, und schließlich konnte auch die Finanzierung gesichert werden.

Willi Ziegler bei einem seiner Vorträge                       VM Hermann Schmauder        Foto: Anne Ziegler                                                    Foto: Karlheinz Schmauder

Bei einem der herausragenden Familienabende konnte der alte Vertrauensmann Hermann Schmauder mit dem Ehrenschild des Albvereins, damals der höchsten Auszeichnung, geehrt werden.

Auch bei der Jugendleitung gab es Veränderungen. Karl-Heinz Glasbrenner und Hermann Eberhardt übernahmen die Jugendgruppe. Mit viel Einsatz und Können führten sie, und ab 1978 Gerhard Mayer als Nachfolger von K.-H. Glasbrenner, die Gruppe. Mit einer neugegründeten Volkstanzmusik, die sich aus Mitgliedern der Musikkapelle und Jugendlichen und Erwachsenen Musikern, hier besonders Gott- lieb Eberhardt mit seine Steirischen „Ziach“, zusammensetzten, konnten sie viele Jahre bei Tänzen der Jugend-, und später der Kinder- und Schülergruppe, den Ton angeben.      Mehrstetter Volkstanzmusik        1982                                           Foto: J. Kunz

Ohne Zweifel waren diese Jahre vom Ende der Siebziger und die Achtziger Jahre geprägt von der Jugend- und Volkstanzgruppe unter verschiedenen Leitern, am längsten von Heinz Schmauder und Gerhard Mayer, den traditionellen Gebirgswanderungen mit Georg Haible, Otto Reutter und wieder Gerhard Mayer, den 4-tägigen Wanderfahrten unter Leitung von Hermann Schmauder, den Familienwochenden in den verschiedenen Albvereinshäusern, alles neben den „normalen“ Punkten des jeweiligen Veranstaltungsplanes und natürlich den ständigen Verpflichtungen der Ortsgruppe zur Unterhaltung des Wegenetzes, der Streifengänge der Naturschutz- warte zur Überwachung des Bestandes von geschützten Pflanzen, den hervorragen- den Vortragsabenden, besonders von Dr. Christian Eberhardt und Willi Ziegler.                                                                                                        Besondere Highlights von 1980 bis 1987 waren die Volkstanzfeste in der Mehrstetter Festhalle, die Volkstänzer von der ganzen Alb und darüber hinaus bis in den Stuttgarter Raum nach Mehrstetten lockten. Durch viele Lehrgänge hatten die Tänzer Verbindung zu Gruppen, wie der Stuttgarter Volkstanzmusik aufgenommen. Be- sonders Martina Eberhardt und Hartmut Wager (Sohn des „Volkstanzpapstes“ Kurt Wager), heute ein Ehepaar, machten sich um die Organisation, zusammen mit allen Gruppen- und AV-Mitgliedern, verdient.

Neu hinzu kamen Abende zum Fahrtenliedersingen und Termine zusammen mit anderen Vereinen, z.B. beim Fest zur Feier der Dorfsanierung 1985. Überschattet wurden diese Aktivitäten vom Tod zweier verdienter Mitglieder. So verstarb im Mai 1985 Willi Ziegler, und im Oktober desselben Jahres sein Bruder Karl Ziegler. An beide erinnern vor allem ihre Lieder, die sie hinterlassen haben.

Es steht auch außer Frage, dass diese – übrigens auch im Erms Gau und im Hauptverein hochgeschätzte – Umtriebigkeit des Vereins seinen Tribut von allen Verantwortlichen verlangte.

Gedanken über den Fortbestand der Jugendgruppe, der Aufbau einer Kindergruppe und deren Betreuung bestimmten die Diskussion im Jahr 1989. Walter Späth legte sein Amt als Vertrauensmann nach 12 arbeits- und ideenreichen Jahren nieder. Die Mitgliederzahl war auf 300 Mitglieder angewachsen, davon 60 Kinder und Jugendliche.

Ab 1989 führte nun Werner Schrade zusammen mit seinen Stellvertretern Otto Reutter und Gerhard Mayer den, nach dem Sportverein, mitgliederstärksten Verein in Mehrstetten. Heinz Schmauder war Leiter der Volkstanzgruppe, Gerda Meister konnte für Leitung der Jugendgruppe gewonnen werden und Margot Schmauder betreute die Kindergruppe.

Fortsetzung folgt

 

 

 

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 9

Die Tu-do – Liste bei der Ortsgruppe war groß und wurde durch immer neue Ideen auch nicht kleiner. Und so nebenbei gab es immer noch den Jahresplan mit vielen Wanderungen und Veranstaltungen kultureller Art abzuarbeiten. Ohne zwischen Erwachsenenortsgruppe und Jugendgruppe zu unterscheiden waren da die vielen Tages- und Halbtageswanderungen, die Ferienwanderungen (fast immer über 14 Tage), die Familien-Wochenendwanderfahrten und Familien-Wochenendwanderungen zu den Albvereins – Wanderheimen, Skifreizeiten, Besuche von Volkstanzkursen, Vortragsabende mit eigenen und fremden Referenten, Altenausflüge für alle über 60-jährigen Bürger, Seminarabende, Anlage eines Naturlehrpfades auf Kahlenbühl, Erhalt der alten Mehrstetter Tracht usw.. Die Liste könnte noch um einige Punkte erweitert werden.                                                                                                                         Das konnte alles natürlich nur mit einem sehr rührigen Vertrauensmann gelingen. Manchmal war dieser auch so rührig, dass bei einem Wochenendausflug in den Bregenzer Wald eines Abends plötzlich zwei Musiken dastanden um die Ausflügler zu unterhalten… Was dem Spaß aber keinen Abbruch tat und sorgte dafür, dass heute noch darüber gesprochen wird.

Einige der angesprochenen Punkte verdienen es, näher betrachtet zu werden. So zum Beispiel der Naturlehrpfad. Manche Stunde verging bei der näheren Planung. Da zufälligerweise bei der Innenrenovierung der Kirche alte Kirchenbänke ersetzt werden mussten, konnte man einige davon erwerben. Das alte Holz schien sehr gut geeignet für die Erläuterungstafeln am Wegesrand. Die Bearbeitung übernahm ein Holzfachmann des Vereins. Aber was sollte darauf stehen? Auch hier gab es im Verein einen absoluten Fachmann, nämlich Dr. Christian Eberhardt, den Leiter des Landwirtschaftsamtes in Münsingen. Mit dem Revierförster Frieder Klumpp zusammen wurden die zu bezeichnenden Pflanzen und Bäume bestimmt. Dazu kam noch eine ganz besondere Idee: Die Namen der Pflanzen und ihrer Früchte sollten zusätzlich auf Schwäbisch aufgeführt werden. Schon die Suche in einem umfang- reichen schwäbischen Wörterbuch sorgte für sehr viel Heiterkeit. Beispiel gefällig? Da stand beim Weißdorn natürlich dieser Name, aber da stand auch: Früchte: Buabahägala. Man stelle sich Fremde Besucher, vielleicht auch noch aus einem anderen Sprachgebiet, vor diesem Schild vor!

Eine besondere Erwähnung verdienen auch die Altenausflüge, die der Albverein zusammen mit der Gemeinde unternahm. Einmal im Jahr sollten die Ältesten des Dorfes – wohlgemerkt kostenlos – mit dem Omnibus unterwegs sein, Dinge sehen und kennenlernen, die sie vielleicht aus Gesprächen oder aus der Zeitung kannten, unbeschwert bei Kaffee und Kuchen und einem Vesper mit Viertele zusammen- sitzen, singen, erzählen und lachen. Das war noch vor der Zeit, wo monatliche Altennachmittage organisiert wurden – auch ein Dank des Albvereins an die ältere Generation. Schloss Lichtenstein, Maßhalderbuch, das Gestüt in Marbach, die Schlosskirche des Malefizschenk in Oberstadion, Burg Derneck, Blaubeuren und die Weidacher Hütte, um nur einige Ziele zu nennen, standen auf dem Programm.

Ganz nebenbei bemühten sich einige Albvereinler darum, die alten Mehrstetter Frauentrachten aufzufinden und zu bewahren. Sie sollten die einfachen blauen Dirndl bei Auftritten ablösen.

Am Ende war aber hier, wie bei so vielen Dingen, der schwierigste Punkt die Finan- zierung! Geld war immer knapp beim Albverein. Wie schon immer musste der größte Teil des Jahresbeitrages an den Hauptverein in Stuttgart überwiesen werden, und die Ortsgruppe hielt den Aufschlag auf den Beitrag, der bei der eigenen Kasse blieb, bewusst gering.

 

Neben all diesen Unternehmungen sollen aber auch einige der Highlights dieser 60er und 70er Jahre nicht vergessen werden.

Dazu zählte mit Sicherheit das 50-jährige Jubiläum der Ortsgruppe Mehrstetten im Jahr 1970. Die Rührigkeit der Ortsgruppe und der Jugendgruppe hatte sich so weit herumgesprochen, dass selbst der Vorsitzende des Hauptvereins, Direktor Dr. Fahrbach aus Stuttgart auf den Weg nach Mehrstetten machte, um zu gratulieren und beim Jubiläumsfamilienabend dabei zu sein. Hier gaben alle ihr Bestes. Die Tänze der Jugendgruppe, Willi und Karl Ziegler zusammen mit Friedl und Walter Preising, die Tanzmusik der Musikkapelle und die Laienspieler der Jugendgruppe machten den Abend zu einem unvergesslichen Ereignis.

Nicht zu vergessen auch in dieser Zeit das Engagement der Jugendgruppe zusammen mit jungen Leuten der Landjugend, unterstützt vom Jugendwart der Bauern- schule Bad Waldsee, die in einem vierwöchigen Zeitraum ein Seminar zum Umwelt- und Naturschutz erarbeitet hatten mit dem Thema: „Tod auf Raten“. An vier Vorrags- und Diskussionsabenden ging es dabei um den Einsatz von Bioziden und Insektiziden und Mastzusätzen in der Landwirtschaft, um die Reinhaltung von Ge- wässern und die gesundheitlichen Auswirkungen. Namhafte Referenten stellten sich den Diskussionen, u. a. der damalige Landwirtschaftspräsident Geprägs und der Direktor des Wasserwirtschaftsamtes und Mitarbeiter der Südwestpresse in Ulm und Dr. Werner Oesterle aus Mehrstetten.

Es war ein Versuch der Jugendgruppe, um aus der Ecke der Volks- und Heimattümelei herauszutreten und zu zeigen: Nicht nur Brauchtum und Volksgut zu pflegen, sondern sich auch aktiv dafür einzusetzen, dass dies alles wert sei zu er- halten.

Und für diesen Erhalt setzte sich der Albverein auch immer wieder stark ein. Das zeigte sich ganz besonders auch beim Erwerb der alten Mehrstetter Tracht, teils durch Kauf alter, noch vorhandener Trachten, teils auch durch Neuanfertigungen. Das wurde möglich durch zwei Dinge: Einmal hatte sich die Finanzlage des Albvereins (wie auch anderer Vereine) durch die Veranstaltung von Tanzabenden in der Turnhalle drastisch verbessert, zum anderen konnte man sich der Musikkapelle an- schließen, die sich ebenfalls für diese Tracht entschieden hatte.

 

 

 

 

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 8

Die Sechzigerjahre in der Ortsgruppe Mehrstetten waren ein Jahrzehnt voller bedeutsamer Ereignisse. Dank des unermüdlichen Einsatzes von Vertrauensmann Hermann Schmauder wechselten sich im Laufe der Jahre Veranstaltungen der verschiedensten Arten ab: natürlich Wanderungen, Vorträge zur Volks- und Heimatkunde, Film- und Lichtbilderabende, und vor allem die Familienabende, die in schönster Regelmäßigkeit den Rößlesaal  im wahrsten Sinne des Wortes zum Überlaufen brachten.                                                                                                       Es muss hier unbedingt gesagt werden, dass die – im übrigen immer sehr niveauvollen-  Vortragsabende überwiegend von eigenen Mitgliedern erbracht wurden. So müssen die Vorträge zur Ortsgeschichte von Oberlehrer Alfred Mandel, die heimat- kundlichen Ausführungen von Dr. Christian Eberhardt und die beeindruckenden Vorträge über Gebirgswanderungen und Flora und Fauna der Heimat von Willi Ziegler (Frisöra-Willi) besonders erwähnt werden.                                                                   Karl Ziegler, Georg Haible und Otto Reutter lösten mit ihren mehrtägigen Gebirgs- wanderungen eine wahre Begeisterung für diese anspruchsvolle Art des Wanderns im Hochgebirge aus, die ungebrochen bis auf den heutigen Tag anhält, mit immer wieder neuen begeisterungsfähigen Bergführern.                                                                  Dazu kamen in dieser Zeit – befeuert auch durch immer wieder neue Anregungen vom Hauptverein in Stuttgart unter der Regie eines energie- und ideengeladenen Vorsitzenden Georg Fahrbach – auch Aufgaben auf die Ortsgruppe zu, die vollen Einsatz verlangten. Da das Auto immer mehr die „Wanderhilfe“ für stadtmüde Wanderer wurde, die ihre Wanderungen individuell planten und durchführten, wurden für die fahrbaren Untersätze überall Parkplätze benötigt, von denen möglichst viele Wanderwege wegführten. So legten auch die Albvereinler in Mehrstetten, zusammen mit dem Sportverein und der Gemeinde, Wanderparkplätze beim Bahnhof und beim Sportplatz auf der Bleiche an, wo Rundwanderwege mit ca. 2 Stunden Gehzeit die Landschaft erschlossen. Auch ein Naturlehrpfad wurde in Angriff genommen.

Aber nun der Reihe nach:                                                                                              Dass Vertrauensmann Hermann Schmauder fast ständig die Anliegen seines Albvereins im Sinne hatte, bewies er an einem Sonntagnachmittag im damaligen Café Greut. Dort hatte er – unabsichtlich oder nicht – einen jungen Lehrer beim Vesper angetroffen. Von dem wusste er wohl, dass er in der Jugendarbeit des Albvereins tätig war. Und in der ihm eigenen Art brachte er sein Anliegen an den Mann, in Mehrstetten eine ständige Jugendgruppe ins Leben zu rufen. So kam es, dass in kürzester Zeit in Mehrstetten eine Albvereinsjugendgruppe ihre ersten Gruppenabende abhielt, mit der Unterstützung durch Schulleiter Ostertag, der mit dem Gymnastikraum der Schule den notwendigen Raum zur Verfügung stellte. Da im gleichen Jahr, es war 1967, der neue Sportplatz auf der Bleiche eingeweiht werden sollte, kam man überein, dass die neu gegründete Jugendgruppe hier mit Volkstänzen ihren ersten öffentlichen Auftritt haben sollte.

Das war ein sehr sportliches Ziel; man brauchte natürlich die notwendigen Übungsabende und es sollte auch in einer entsprechenden Tracht getanzt werden. Mit tatkräftiger Unterstützung der Münsinger Handarbeitslehrerin Paula Rittmann und natürlich der Mütter wurden einfache Dirndltrachten für die Mädchen und Westen für die Jungen geschneidert – und so mischte die Volkstanzgruppe des Albvereins sehr bald auch bei verschiedenen Veranstaltungen des Erms Gaus mit, wo sich gleich- zeitig in mehr als 10 Ortsgruppen solche Gruppen gebildet hatten – ein Jahrzehnt der Jugendarbeit im Albverein.                                                                                             Um es kurz zu fassen: unter der Leitung von Walter Preising, so hieß der junge Lehrer aus Bremelau, war in kurzer Zeit eine Jugendgruppe entstanden, die bei vielen Veranstaltungen, nicht nur beim Albverein, stets gern gesehen war und die weit über Mehrstetten hinaus im Albverein einen Namen hatte. So wurde die Gruppe als Abordnung der gesamten Albvereinsjugend zum Deutschen Wandertag nach Bad Hersfeld und zum Europäischen Wandertag auf den Mont Ste. Odile in den Vogesen entsandt, zusammen mit den befreundeten Gruppen aus Gomadingen und Sontheim.

Bei diesen Aktivitäten blieb es nicht aus, dass in der Ortsgruppe zwei Programme parallel abliefen, das der Jugend und das der Erwachsenengruppe. Aber immer da, wo es nötig war, traf man sich zu gemeinsamen Unternehmungen.

                                                              Aber ohne Probleme ging das alles nicht ab. Es gab nämlich ein ständiges Platzproblem. Der Gymnastikraum in der Schule stand nicht mehr zur Verfügung. Mit der Einführung der Nachbarschaftsschule Mehrstetten mit Gundershofen, Sondernach und Hütten brauchte die Schule den Raum dringend als Werkraum. Also wohin?                                                                                                Den Nichtmehrstettern und den vielen Jüngeren mag eine kurze Erklärung helfen:

In Mehrstetten gab es – außer den Wirtshaussälen im Rössle und im „Pfitz“ für Vereine kaum Möglichkeiten. Das Evangelische Gemeindehaus war in der Planung, die Turnhalle kam noch einige Jahre später, der Feuerwehrhaus in weiter Ferne….

Letzte Rettung für die Jugendgruppe – und nicht nur für sie – war das sogenannte „Parteiheim“ im Erdgeschoss des Rathauses ( zur Erklärung: der Name stammt wohl aus der Zeit des 3.Reiches und bezeichnete den größten Teil des heutigen Bürgerbüros; abgetrennt war ein schmaler Raum im hinteren Teil als Lager für Allerhand).                                                                                                                          Es war eng, aber immerhin ein Raum.                                                                            Die Räume im Untergeschoss der Schule waren belegt als Gemeinschaftsdusche für die Schüler, mit einer Gemeindebadeanstalt mit Wannenbädern (zu benützen gegen Gebühr unter Aufsicht einer Badefrau am Samstagnachmittag), als Waschküche und Unterrichtsraum für die Schule für ländliche Hauswirtschaft in Verbindung mit der heutigen Schulküche.                                                                                                    Der heutige Zustand in der Schule wurde nur nach mehrmaligen Umbaumaßnahmen den jeweiligen Bedürfnissen angepasst.                                                                            Alle Vereine hatten mit diesen Platzproblemen zu kämpfen, aber alle fanden immer wieder eine Lösung.

 

Bilder: Walter Preising

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 7

Überhaupt die Fortbewegungsmittel spielten bei den Unternehmungen der Albvereinler eine immer größere Rolle – einmal abgesehen von den Skiern im Winter. Die waren zwar immer aktuell, aber sportlich gesehen übernahm hier natürlich der Wintersportverein (WSV) immer mehr die Regie, natürlich gar nicht verwunderlich, dass hier ein ehemaliger Vertrauensmann und Jugendwart, nämlich Gerhard Schaude, das Kommando übernahm.                                                                                                 Aber zu den Fortbewegungsmitteln: In den Anfangsjahren (ab 1920) staunt man immer mehr über die doch gewaltigen Entfernungen, die – unterstützt von der Eisenbahn – zu Fuß zurückgelegt wurden, bei Fußwanderzeiten von nicht selten mehr als 8 und 9 Stunden! Dann taucht aber immer wieder, so Ende der 20er Jahre bis in die 30er Jahre das Fahrrad auf. Auch das war manches Mal eine Herausforderung. Zunächst für die Lenker der Räder selbst, die dem mitgeführten oder unterwegs „zufällig gefundenen“ Most zu sehr zugesprochen hatten, und in der Folge für Schneidermeister Eugen Breitinger, der Hosen und Jacken nach diversen Stürzen                                             (an denen aber immer die schlechten Wegeverhältnisse schuld waren) wieder in einen brauchbaren Zustand zurechtflicken und –bügeln musste.                                         Nach dem Krieg zeigt sich auch bei Wanderungen die zunehmende Motorisierung. Bei kleineren Unternehmungen war das oft das Motorrad, für größere Gruppen wird es zunehmend der Omnibus, der Männlein und Weiblein entweder in das Zielgebiet oder aber auch nur spät am Abend wieder nach Hause brachte.                                        Aber nicht nur die Fortbewegungsmittel änderten  sich mit der Zeit. Unruhig blieb es auch in der Vereinsführung. Natürlich waren diese Nachkriegsjahre für alle eine sehr bewegte Zeit. Berufliche und persönliche Neuorientierungen spielten ebenso eine wichtige Rolle wie auch weltanschauliche Positionierungen. Für viele waren Worte wie  „Heimat“, „Volksgut“, „Brauchtum“ und andere mehr durch ihren Missbrauch im vergangenen 3.Reich mit falschen Vorstellungen besetzt. Man konnte sich nicht mehr so gut damit identifizieren. Auch Lieder und Liedtexte, oft jahrhundertealt, kamen dadurch in Verruf. Und mittendrin der Albverein, der genau in diesen Beschreibungen sein Hauptaufgabengebiet schon immer gesehen hatte.                                                So führte ab 1949 Küfermeister Hans Kölle den Verein, gab diesen aber schon 1951 an Hauptlehrer Ernst Ostertag ab. Er blieb Vertrauensmann bis 1956, und wurde dann von dem Bundesbahner Hermann Haible abgelöst. Schon nach 2 Jahren wurde wieder ein neuer Vertrauensmann gesucht, weil Hermann Haible aus beruflichen Gründen das Amt aufgeben musste. Diesmal blieb das Amt in Bundesbahnerhänden. Mit Hermann Schmauder kehrte nun für viele Jahre Ruhe in den Vorstandsreihen der Ortsgruppe Mehrstetten ein, was der gesamten Entwicklung sehr gut tat. Bis 1977 sollte er nun fast 20 Jahre an der Spitze des Mehrstetter Albvereins stehen, und daran werden sich viele der heutigen Mehrstetter, und nicht nur der Albvereinler, noch sehr gut erinnern können.                                                                                                                        Nicht nur die Personen in der Vereinsführung wechselten. Auch die Jahresprogramme bekamen mit der Zeit ein anderes Gesicht. Natürlich blieb auch weiterhin das Wandern eine der Hauptaufgaben der Ortsgruppe, vor allem aber die Geselligkeit, die Angebote für Nichtmitglieder zur Teilnahme an Veranstaltungen, die mehr und mehr von Leuten aus den eigenen Reihen gestaltet wurden, erfreuten sich großer Beliebtheit. Zu nennen wären da die hervorragenden Lichtbildvorträge (mit eigenem Bildmaterial) von Willi Ziegler, die heimatkundlichen Vorträge von Dr. Christian Eberhardt, aber auch die vom Hauptverein angebotenen literarischen und naturkundlichen Vorträge, die alle großen Zulauf hatten.                                                                                                               Aber auch einige Beiträge in den Protokollbüchern, die man getrost unter „Kurioses“ oder unter „Besonders Erwähnenswert“ aus dieser Zeit anführen darf, sollen nicht unerwähnt bleiben. Beispiel gefällig?                                                                             Ein Antrag aus der Mitte des Ausschusses betraf den kläglichen Gesang zu Beginn der öffentlichen Versammlungen des Albvereins. So sollte in Zukunft nur noch in den Albverein aufgenommen werden, wer das Albvereinslied in allen Versen vorsingen bzw. aufsagen konnte  („So steckt dies Zeichen an den Hut…“).                                              Die Frühwanderung am 1. Mai begann immer am Lindele auf dem Marktplatz. Der Start verzögerte sich aber des Öfteren um einige Zeit, weil die Wandergruppe „zuerst eine ausführliche Besichtigung der dort ordentlich aufgestellten Ausstellung landwirtschaftlicher Geräte vornehmen musste, die so groß war, dass man sich die Fahrt zu einer solchen Ausstellung sparen konnte.“ Einmal war sogar zur Bewachung eine Hundehütte mit Hund dazu gestellt worden. (Anmerkung: dies wiederholte sich viele Jahre später noch einmal, nur dass der Hund mit Hütte auf dem Dach des damaligen Kreissparkassenpavillons ein ebenfalls dort geparktes Kleinauto bewachte!).

Der 1. Mai hatte es in sich! So gab es 1956 zu der Wanderung viel Schnee und Kälte wie im November.                                                                                                         Und dann war da noch die Hauptversammlung des Vereins in Ravensburg. Ein Mitglied der Mehrstetter Abordnung kam doch tatsächlich einen Tag zu spät dort an und erst 1 Woche später wieder nach Hause. Näheres ist den Büchern nicht zu entnehmen.

Auch die Frage nach den Beiträgen, die vom Albverein an den WSV abgeführt werden sollten (für die Mitglieder der Skiabteilung, die auch dem WSV beigetreten waren), findet 1956 eine Antwort: Da die Kassenlage bei beiden Vereinen bedauerlicherweise „kläglich“ ist, wird dies im beiderseitigen Einvernehmen eingestellt. Aber der Vorsitzende des WSV (Walter Heimberger) ist auch Mitglied im Ausschuss der Albvereins – Ortsgruppe.                                                                                                Mit Hermann Schmauder als Vertrauensmann und Motor nahm die Vereinsarbeit immer mehr an Fahrt auf. Viele Dinge, die mittlerweile selbstverständlich Teil der Vereinsarbeit waren und noch sind, nahmen ihren Anfang. Waldweihnachtsfeiern, Familienabende mit Theateraufführungen, mehrtägige Wanderfahrten, die jährliche mehrtägige Hochgebirgswanderung und vieles mehr begann die Ortsgruppe zu prägen. Nicht zu vergessen die Selbstverständlichkeiten wie die Pflege des Wanderwegenetzes und der Naturschutz. Dazu kam ab 1960 der Beginn der Dorfsanierung. Mehrstetten als Musterdorf und Beginn der Flurbereinigung Ortslage, was einen nie dagewesenen Umbruch im Ortsbild und natürlich auch in der Umgebung mit sich brachte, eine Herausforderung für alle, die sich bis zum Abschluss der  Maßnahmen insgesamt – Flurbereinigung Feldlage, Dorfsanierung und Flurbereinigung Ortslage – über mehr als 30 Jahre (1952 -1984) erstrecken sollte und immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der Ortsgruppe des Albvereins und der Gemeinde bzw. der ausführenden Flurbereinigungsbehörde führte. Keine einfache Zeit für viele Albvereinler, die einerseits die Interessen des Albvereins und den Schutz seiner Ziele verfolgten, die aber andererseits sei es als Mitglieder des Gemeinderates oder der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung auch hier in der Verantwortung der Dorfgemeinschaft standen.

Sicher ist: Der Begriff Naturschutz beschränkte sich lange Zeit viel zu sehr auf die Pflege und den Schutz einzelner Pflanzen und ihrer Standorte und hätte schon viel früher durch den umfassenderen Begriff Umwelt- und Landschaftsschutz ersetzt werden müssen. Ausgeräumte Feldmarken, Abholzung von landschaftsprägenden und –schützenden Feldhagen und –hecken wären vielleicht vermieden worden.                    Aber hätte, wäre, könnte…                                                                                             Ein neues Kapitel der Ortsgruppengeschichte begann Anfang der 60er-Jahre. Die Jugend begann sich zu rühren. Die Kontakte zu der Ortsgruppe in Münsingen führten zu gemeinsamen Volkstanzaufführungen bei Vereinsabenden. Paula Rittman, Handarbeitslehrerin aus Münsingen, machte das zusammen mit jungen Paaren aus Mehrstetten und Münsingen, und Reinhold Mayer sammelte einige Jugendliche um sich, um mit ihnen ganze Wochenferienwanderungen zu machen. So erwanderten sie ab 1965 zuerst den Südschwarzwald, dann den Odenwald und 1967 die Lüneburger Heide mit Abstecher nach Lübeck, Hamburg und Helgoland.                                        Für viele Jahre blieb ab jetzt die Jugendarbeit ein herausragender Bestandteil der Vereinsarbeit, ohne die anderen Bereiche zu vernachlässigen.                              Fortsetzung folgt

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 6

Bewegte Zeiten in der AV – Ortsgruppe Mehrstetten

In den ersten Jahren nach dem Wiederbeginn 1947 tat sich die Ortsgruppe zunächst schwer, einen Weg zu finden, der sowohl den alten und tradierten Zielen der Albvereinler als auch den neuen Ideen vor allem der Jungen und der Jugendlichen gerecht wurde. Eine gewisse Unruhe im Verein lässt sich auch an den häufigen Wechseln in der Vereinsführung ablesen. So wie das ganze Volk nach den Schrecken und Traumata des Krieges sich neu orientieren musste, so geschah das auch im Kleinen, im Verein. Dass man sich da nicht immer einig war, war nur zu verständlich.

1949 wurde bei der Hauptversammlung Gerhard Schaude zum Vertrauensmann gewählt, Stellvertreter wurde Hans Kölle sen. .Bei einer Ausschusssitzung wurde die Gründung einer Jugendgruppe beschlossen, und bei einer schriftlichen Nachwahl wurden die Vertrauensmannstellen getauscht; Hans Kölle war jetzt Vertrauensmann und Gerhard Schaude sein Stellvertreter. Kurz darauf wurde der Jungalbverein Mehrstetten gegründet. Sein Vorsitzender wurde nun Gerhard Schaude. Das Konstrukt der Vereinsführung sah nun einen Ortsgruppenausschuss mit Teilen der alten Vereinsführung  und dem neuen Ausschuss des Jung AV vor, wobei beide Gruppierungen jeweils für ihre Bereiche selbständige Beschlüsse fassen konnten. Die unterschiedlichen Auffassungen führten letzten Endes dazu, dass der Jungalbverein zusammen mit der Skiabteilung sich eine eigene Satzung gaben, Schriftführer Karl Ziegler wurde durch Hans Kölle jun. abgelöst. Verbindungsmann zwischen Jung AV mit Skiabteillung und der Ortsgruppe blieb Karl Ziegler.

Mittlerweile hatte sich auch der Hauptverein (sprich die Führung des Gesamtvereins  in Stuttgart) eingeschaltet. Die Sondersatzung des Jung AV musste geändert werden, der Skiwart wurde zugunsten eines Wanderwartes gestrichen.

Allerdings hatte der Jungalbverein Bewegung in das Vereinsleben gebracht. Regel- mäßige Singabende in den Mehrstetter Gaststätten immer an den Samstagabenden erfreuten sich großer Beliebtheit, und mit ihren Gesangsbeiträgen gefielen die Jungen oft bei Vereinsabenden und Familienabenden.

Ein großer Erfolg für die Skiabteilung waren auch die Bezirksmeisterschaften im Skilanglauf, bei denen vor allem Georg Reutter und Karl Ziegler durch ihre Siege dem Skisport Auftrieb gaben.

Das Jahr 1952 brachte dann mit der Gründung des Wintersportvereins Mehrstetten (WSV) eine voraussehbare Trennung zwischen Albverein und den Wintersportlern, die allerdings in überaus freundschaftlicher und kameradschaftlicher Weise vor sich ging. So kann man den Protokollen des Albvereins entnehmen, dass der neu gegründete WSV für jedes Albvereinsmitglied in seinen Reihen aus der Kasse des Albvereins 1 DM bekommen solle (Beschluss vom 11.März 1952). Wie lange das beibehalten wurde, ließ sich nicht ausfindig machen. Aber man lud sich immer gegenseitig zu den Versammlungen und Vereinsabenden ein – und man half sich!                                     Als am 19.12.1952 bei der Generalversammlung im Hirsch Vorschläge für den Wanderplan im neuen Jahr aufgerufen wurden, kam von den WSV-Mitgliedern der Vorschlag, anstatt einer Wanderung am 1. Mai beim Bau der neuen Albschanze im Böttental zu helfen. Neuer Vertrauensmann der Ortsgruppe war übrigens seit 1951 Hauptlehrer Ernst Ostertag, und unter seiner Leitung stimmte die Versammlung diesem Vorschlag begeistert zu. Beigetragen dazu hatte sicherlich auch die Zusage der örtlichen Gastwirte und des Küfers,  die Arbeiterinnen und Arbeiter mit reichlich Getränken zu versorgen, worauf sich andere Geschäftsleute nicht lumpen ließen. Sie versprachen Zigaretten, Bonbons und Schokoladen, die Bäckermeisterin Brot und Brezeln und der Metzger die notwendigen Wurstwaren. Und Karl Katzmaier wollte die Arbeitenden mit dem Traktor und seinem Wagen abholen.                                         Kurz gesagt: Bei herrlichem Maiwetter wurde der Arbeitseinsatz ein voller Erfolg und vor allem die zugesagte Verpflegung und vor allem der Genuss derselben ein High- light für alle Dabeigewesenen. Der Schriftführer Christian Mak schildert das hingebungsvoll und gerät besonders bei der Beschreibung des Genusses von Friseur Zieglers „Rathaus – Riesling“ ins Schwärmen.                                                                                    Gemeinsames Arbeiten, gemeinsames Singen, gemeinsames Beisammensein war für viele etwas Erstrebenswertes. Vor allem auch dann, wenn in den eigenen Reihen Liederkomponisten und –dichter dabei waren wie vor allem Karl Ziegler und auch dessen Bruder Willi Ziegler, den aber mehr aus der Ferne die Sehnsucht nach der Alb umtrieb. Lieder wie das „WSV – Lied“, das beim Wintersportverein noch heute bei vielen Anlässen gesungen wird, oder das Skifahrer Zunftlied „Die Mehrstetter haben eine saubere Zunft“, aber auch die Bergsteigerlieder „Auf hoher Warte wir uns finden, Bergsteiger von der Schwabenalb“, das „Bärental – Lied“, aber auch das heimatverbundene „d´Alb, dui liab i“ stammen aus ihrer Feder und sind es wert, gepflegt zu werden.

Alblied von Willi Ziegler  (aus den 50er Jahren)

Wie groß besonders auch die Liebe und die Sehnsucht dieser ersten Bergsteigergeneration in Mehrstetten war, mag auch die folgende Anekdote erklären:

Eines Tages packte einige der Mehrstetter Bergfexe die Sehnsucht nach den Bergen, und so fasste man den Plan, einige Tage daran zu rücken und nach Oberstdorf aufzubrechen. Aber mit der Bahn zu fahren, war wohl nicht sportlich genug und kostete überdies auch Geld. Motorisiert war man nicht, also blieb das Fahrrad.

Gesagt, getan – man brach mit den Rädern auf. Räder, Fahrradmäntel und ebenso Schläuche waren ein rares  Gut, die Straßen schlecht, dafür wenig Verkehr. Rucksack und Zelt wurde aufgeladen, und so ging es los – natürlich ohne Gangschaltung, die es nicht gab.

Nun muss man wissen, dass Fahrräder auch damals ein sehr beliebtes Diebesgut war , und diebische Zeitgenossen so kurz nach dem Krieg gab es überall. Da war – in Oberstdorf angekommen – guter Rat teuer: Wohin mit den Rädern? Man wollte und musste unbedingt auf das Nebelhorn und einmal mit der damals gerade 20 Jahre alten Kabinenbahn fahren. Blieb nur eines: Die Räder mussten mit.

So fuhr man mit den Rädern bis zur Bergstation. Aber von hier bis zum Gipfel gab es keinen Radtransport!

Heute wäre es nichts Besonderes, fahrradschleppende Sportler im Gebirge zu sehen. Allerdings mit superleichten Karbonrahmen und nicht mit gewichtigen Velos, dazu bepackt mit Rucksäcken und Zeltbahnen.

Aber es half nichts: die Räder samt Gepäck mussten mit hinauf zur Gipfelhütte. Lieber schwitzen als nachher ohne Rad dastehen, war die Devise.

So waren die Mehrstetter Gebirgskraxler wohl einige der ersten, die das Nebelhorn mit dem Fahrrad bezwangen.

Fortsetzung folgt

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 5

Neuanfang nach dem Krieg

Nach dem verlorenen Krieg lag alles darnieder. Alle mussten schauen, wie man mit dem Leben zurechtkommen konnte.                                                                           Auch in Mehrstetten waren viele nicht mehr aus dem Krieg heimgekehrt: gefallen, vermisst, in Gefangenschaft. Für die Daheimgebliebenen war vieles wichtiger als Vereinsarbeit.                                                                                                                Und dennoch waren die Ideen und Erinnerungen da oder wurden wachgerufen, so zum Beispiel als zwei Urgesteine des Mehrstetter Albvereins wegstarben.                            Als erster starb 1946 der langjährige Vertrauensmann, Metzgermeister Karl Reutter, der seit der Gründung 1920  bis zu seinem Tod 26 Jahre lang die Geschicke des Vereins geleitet hatte. Ihm folgte mit seinem Tod 1947 der langjährige Schriftführer Fritz Eberhardt.

Mit einem kurzen Eintrag im Protokollbuch wird ihrer in Ehren gedacht.

Besonders Vertrauensmann Karl Reutter wurde schmerzlich vermisst. Auch in schwieriger Zeit hatte er den Verein zusammen gehalten, hatte Veranstaltungen organisiert und nicht selten tagte der Ausschuss in seinem Wohnzimmer, sicher nicht zum Nachteil der Auschussmitglieder, die den Einladungen des Metzgermeisters gerne folgten.

Mittlerweile schrieb man das Jahr 1947. Die französische Militärregierung wachte streng über die Umtriebe in den Gemeinden, und ohne ihre Genehmigung ging nicht viel.                                                                                                                                      Da schlug nun die Stunde eines weiteren Urgesteins des Mehrstetter Albvereins. Ludwig Eberhardt, der voller Stolz immer mit seinem Beruf „Rottenführer“ (um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: bei der Eisenbahn) unterschrieb, gab keine Ruhe. Seine Liebe gehörte dem Verein, und er machte sich unermüdlich daran, die alten Kameraden wieder zu aktivieren und die Behörden davon zu über- zeugen, dass die gute Sache des Albvereins es wert sei, eine Genehmigung zur Neugründung zu erhalten.

Mit der Genehmigung der französischen Militärregierung war es am 22. Juli 1947 so weit. Ludwig Eberhardt konnte auf 3 Uhr nachmittags zur Neugründungsversammlung in das Gasthaus zum Hirsch einladen. Zehn Mitglieder waren der Einladung gefolgt und wählten den ersten Ausschuss der neu erstandenen Ortsgruppe.

Vertrauensmann wurde Ludwig Eberhardt, Rottenführer. Ihm wurde auch das Amt des Kassenwarts anvertraut. Sein Stellvertreter wurde Eugen Breitinger. Zum Schriftführer wurde Karl Ziegler gewählt. Ein weiteres Ausschussmitglied wurde Georg Ziegler.

Weitere Planungen, z.B. für Wanderungen oder Veranstaltungen zur Werbung neuer Mitglieder konnten vor der behördlichen Genehmigung und Eintragung des Vereins nicht angegangen werden und wurden deshalb zurückgestellt.

Darin drückte sich auch die Vorsicht und eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den französischen Militärbehörden aus, die überall das letzte Sagen hatten. Die damaligen Ausschussmitglieder fanden das erstmals in Ordnung, wollten sie doch erst zu sich selbst und Wege finden, wie man „die Liebe zur Heimat und zu der Sache des Vereins im inneren Kern wachsen lassen konnte“, wie es Schriftführer Karl Ziegler im Protokoll ausführte.

Die offizielle Genehmigung für die OG Mehrstetten durch die französische Militärregierung erfolgte im folgenden Jahr, am 4. Juni 1948.

In einer Sitzung des Ausschusses am 27. Juni 1948 wurde die behördliche Genehmigung der OG Mehrstetten zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig der vierteljährliche Tätigkeitsbericht bearbeitet, der den Behörden vorgelegt werden musste. Erste Wanderungen waren schon durchgeführt worden, die Schriftführer Karl Ziegler ausführlichst beschrieb, auch das Vesper auf dem Gießstein auf dem Weg zum Schloss Lichtenstein „…wo bei herrlicher Aussicht dieses (das Vesper) besonders gut schmeckte und nachträglich an die schwindelfreien Kinder sogar noch ein Nachtisch in Form von Ohrfeigen mit Flüchen und Gelächter verteilt werden konnte.“

Diese Zeit des Aufbruchs in eine neue Epoche der Albvereinsortsgruppe Mehrstetten ist nicht nur eine Geschichte des „weiter so wie damals“; die Aufschriebe vor allem von Karl Ziegler zeugen auch von internen Auseinandersetzungen und Bestrebungen einer Neufindung.                                                                                                        Besonders seine Nachforschungen über die Entwicklung der Ortsgruppe beflügelten Karl Ziegler. So hatte er herausgefunden, dass seit 1893 unter der Leitung von Pfarrer Bentel eine locker organisierte Gruppe von etwa 10 Leuten im Sinne und als Mitglieder des Albvereins tätig waren, aber eben keine eigene Ortsgruppe gründeten. Dies geschah erst 1920 mit Karl Reutter. Die Mitgliederzahlen  stiegen im Gründungsjahr schon auf 66 und bis 1923 auf 128. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen (Inflation; Weltwirtschaftskrise) und der sich abzeichnenden politischen Entwicklungen (Nationalsozialismus) zeigten sich deutlich daran, dass ab 1924 die Mitgliederzahlen ständig sanken. Parteigebundene Organisationen machten ab der Machtergreifung 1933 durch die Nationalsozialisten allen Vereinen das Überleben immer schwerer. 1935 waren es nur noch 22 Männer und Frauen, die dem Albverein die Treue hielten. Im Jahr der Neugründung 1947 waren es noch 18. Natürlich hatte auch der Krieg seinen Tribut gefordert.

Es war jetzt eine herausfordernde Zeit, und die brauchte Ideen, die die Begeisterung vor allem auch der Jugend und jungen Erwachsenen wecken konnte.

Fortsetzung folgt

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 4

Das inzwischen vergangene erste Jahrzehnt, das zunächst so verheißungsvoll für die junge Ortsgruppe Mehrstetten begonnen hatte, war zu Ende. Es hatte ungeahnte Höhen, aber auch gewaltige Tiefschläge mit sich gebracht. Die Inflation hatte wirtschaftlich vieles ruiniert und, kaum überwunden, schlug unerbittlich die Weltwirtschaftskrise zu. Da konnte man von Glück sagen, dass man auf dem Land lebte, wo wenigstens das zum Überleben Notwendige vorhanden war – wenn auch die Vesperrucksäcke oft nicht mehr so gut gefüllt waren. Man war auch auf dem Land damit beschäftigt, zuerst das tägliche Leben zu sichern.

So war auch beim Albverein in Mehrstetten die Mitgliederzahl stark gesunken, zu Versammlungen kamen oft keine 20 Mitglieder mehr. Hatte man sich in den Anfangsjahren noch in freiwillige Arbeiten gestürzt, z. B. beim Bau des Wanderweges zum „Mehrstetter Hauptbahnhof“ im Heutal und zur Pflege des Ehrenhains bei der Hüle, so war davon nun keine Rede mehr. Warum das so war? Darüber geben Protokolleinträge erst in späteren Jahren Auskunft. Die Gemeinde hatte den Ehrenhain an der Hüle an sich gezogen, hatte dem Albverein die ausgegebenen Gelder erstattet (leider ist nicht erwähnt, in welcher Währung – man bedenke die rasante Inflation) und im Jahre 1926 dort das heute noch existierende Ehrenmal zum Gedenken an die Gefallenen des 1. Weltkrieges errichtet.

Mag sein, dass so mancher bis dahin eifrige Mitarbeiter sich zurückzog und sich anderen Tätigkeiten zuwandte.                                                                                    Aber sicher ist: das Vereinsleben in der Ortsgruppe lief nur noch auf Sparflamme.          Aber immer wieder flackerte das Flämmchen der Begeisterung wieder auf, z. B. als der Uracher Stadtpfarrer Dr. Reinhardt einen gut besuchten Lichtbildervortrag im Rössle Saal hielt. Das war 1931, und er berichtete dabei von den dramatischen Ereignissen bei der Erstbesteigung dieses schönsten Berges der Alpen. Der Beifall wollte dann kein Ende nehmen, als er zum Abschluss seines Vortrages noch Bilder zeigte, wie er selbst mit einem Bergführer diesen Gipfel bezwungen hatte. Hier könnte durchaus der Funke auf spätere Gebirgler und Bergsteiger in der Ortsgruppe übergesprungen sein.

Eine neue Erkenntnis brachte eine Versammlung im Gasthaus Hirsch in Gundershofen im Jahr 1933: Herr Altbürgermeister Rehm aus Gundershofen, der mit der Gründung 1920 dem Albverein Mehrstetten beitrat, wurde für 25-jährige Mitgliedschaft geehrt. Es hatte sich aber herausgestellt, dass er schon seit 1902 Mitglied im Albverein war, was er durch seine Mitgliedskarte beweisen konnte – nur im Verzeichnis des Hauptvereins war er nicht zu finden, obwohl er im Besitz sämtlicher Albvereinsblätter und Wanderkarten seit diesem Jahre war. Nach Einsendung der Mitgliedskarte als Nachweis wurde ihm nun die Ehrenurkunde für 25-jährige Mitgliedschaft nachträglich überreicht, auch wenn er schon 30 Jahre Mitglied war.  Auch Oberlehrer Ostertag war wohl schon Mitglied seit 1904 und hatte bei seinen verschiedenen Dienstorten als junger Lehrer Spuren des Albvereins hinterlassen, besonders im Schwarzwald.

Wir alle wissen, dass das Jahr 1933 gewaltige politische Veränderungen in Deutsch- land brachte. Diese finden aber in den Vereinsprotokollen keinerlei Erwähnung. Lediglich an den Begleiterscheinungen kann man – sozusagen verdeckt – ablesen, dass etwas sich verändert hatte. Es wurden keine Wanderpläne mehr erarbeitet, weil erfahrungsgemäß sowieso niemand Lust hatte, mit zu wandern, die Mitgliederzahl im Verein war so tief gesunken wie noch nie. Es bedurfte schon größerer und unglaublicher Ereignisse, damit sich die Albvereinler zu gemeinsamen Unternehmungen auf- raffen konnten.

Ein solches Ereignis war am 5./6. Juli 1936 ein gewaltiger Wolkenbruch, der vor allem im Arbental gewaltiges Unheil anrichtete, der den ganzen Fahrweg hinunter ins Schandental metertief ausschwemmte. Zur Besichtigung dieses gewaltigen Naturschauspiels machte sich eine erkleckliche Zahl von Wanderern auf den Weg. Eine Wiederholung dieses Ereignisses gab es dann Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit ähnlichen Ergebnissen.

Der Bericht über die Wanderung zu den Hochwasserschäden vom 6./7. Juli 1936 war für lange Jahre der letzte Bericht in den Protokollbüchern. Zuvor war erstmals die Rede von der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bei einem letzten Lichtbildervortrag beim Albverein, der eine Werbeveranstaltung für den Verein sein sollte. Ein Oberreallehrer Widmann aus Tübingen sprach dabei davon, dass…“doch der Albverein derjenige Verein sei, der schon lange vor der Machtübernahme unseres Führers die Volksgemeinschaft gepflegt habe. …Es sei der Arbeiter gleich- berechtigt neben dem Unternehmer, der Bauer neben dem Städter…gestanden“                       Erst 1943 gibt es noch eine Aufzählung von Wanderungen, die allesamt Ludwig Eberhardt, Rottenführer, geführt hatte, auch noch 1944 – oft nur zu wenigen Mitwanderern.

Am 24. September 1944 endet der Eintrag mit der Feststellung: „…es musste das Wandern in weitere Entfernungen eingestellt werden wegen zu großer Fliegergefahr auf den Straßen und Eisenbahnzügen.“

1945, nach langer Pause „…durch den Krieg verursacht“ , konnte Vertrauensmann Karl Reutter die noch in der Heimat anwesenden Mitglieder zu der 25-jährigen Jubläumsversammlung einladen und 8 Mitglieder für 25 Jahre Treue zum Albverein ehren, mit dem Wunsch, dass der Krieg bald enden möge!

Es waren dies: Eberhardt Fritz, Maler; Eberhard Johannes, Bauer; Eberhardt Ludwig, Rottenführer; Götz Georg, Straßenwart; Krehl Georg, Waldmeister; Mayer Gottlieb, Hirschwirt; Reutter Lukas, Wagnermeister und Ziegler Georg, Frisör. Oberlehrer Ostertag wurde für 50 Jahre geehrt.

Mit diesem Eintrag endet nach 25 Jahren das Protokoll:

Fortsetzung folgt

 

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 2

Teil 2

Bei der Betrachtung dieser Gründungszeit darf man nicht vergessen: der 1. Weltkrieg mit seinen mörderischen Schlachten war gerade mal 2 bis 3 Jahre vorbei, der Versailler Vertrag hatte Deutschland mit immensen Reparationsforderungen wirtschaftlich an den Rand gebracht – und die Männer und Frauen in der neu gegründeten Ortsgruppe des Albvereins fanden Zeit und Muße, um sich um ihre Heimat zu kümmern. Oder auch gerade deswegen.

Im Protokollheft aus dieser Gründerzeit beschreibt der Schriftführer in dichterisch-schwärmenden Worten die Schönheit der Heimat. Wandern und Schauen ist das höchste Ziel.

Wandern und die Heimat kennenlernen, alles in sich aufsaugen, was sich dem Auge bot, war Herzensangelegenheit. Körperliche Strapazen nahm man gerne auf sich, alles gepaart mit einem guten Teil Abenteuerlust. So machte man sich zu zweitägigen Wanderungen auf, mit einem gut gefüllten Rucksack (wegen des Vespers), aber ohne Plan und Idee, wo man denn übernachten könnte. Oft half der Zufall und auch das Vertrauen der Menschen in die Wandergruppe. So stellte bei einer dieser Mehrtageswanderungen das „Auge des Gesetzes“, der Polizeidiener in Tiergarten im Oberen Donautal seine Scheune zur Verfügung (nebst reichlich Malzkaffee am Morgen), oder man traf beim Abstieg von der Teck nach Owen einen „Landsmann“ aus Hundersingen, der in Unterlenningen verheiratet war. Kurzent- schlossen lud er die Landsleute von der Alb zu sich nach Hause ein – immerhin eine erkleckliche Zahl -, die sich seinen „Unterländer Most aus seinem 1000 – Liter- Fass“ wohl schmecken ließen.

Natürlich nahm man, wenn es sich machen ließ, die Eisenbahn für Teilstrecken in Anspruch. Man hatte schließlich mit Schriftführer Failenschmid einen versierten Eisenbahner im Verein. Aber die Strecke bei der zweitägigen Wanderung von Mehrstetten über Gruorn, Römerstein, Schopfloch, Randecker Maar, Breitenstein, Ruine Rauber, Sattelbogen zur Teck, dann nach Owen- wo man durch puren Zufall den Landsmann aus Hundersingen traf, und am anderen Tag weiter über den Hohen-Neuffen, Grabenstetten, das Fischburgtal und Trailfingen wieder nach   Mehrstetten war reine Fußarbeit.

Das war aber nicht die ganze Idee der ersten Albvereinler. Größere Projekte wurden in Angriff genommen. Der schon erwähnte Fußweg zum „Hauptbahnhof“ im Heutal war immer wieder Thema, Weg Bezeichnungen mussten angebracht werden, die Pflege und Bepflanzung der Hüle beim Hirsch (später auch der Albvereinsgarten genannt), auch die Bepflanzung der Rauen Hüle am Weg nach Bremelau und Beseitigung alter Bäume dort wurde angegangen.

Vorträge und Familienabende „mit theatralischen Aufführungen“ fanden großen Anklang. Bei einem dieser Vorträge 1922 war auf Vermittlung von Oberlehrer Freitag aus Ennabeuren der schwäbische Heimatdichter August Lämmle nach Mehrstetten gekommen.

Die Frage bleibt – und hier geben die Protokollbücher nur wenig Auskunft: Wie war das alles in dieser wirtschaftlich prekären Zeit – immerhin steckte man in der schwersten Inflation – zu stemmen?

Anfang 1922 wurde wegen der schlechten Kassenlage eine Haussammlung durch- geführt, die 822 Mark erbrachte. Eine Saalsammlung bei einer Veranstaltung erbrachte 122 Mark. Im November 1922 wurde der Ortsgruppenbeitrag (dieser wird zusätzlich zum Beitrag für den Hauptverein erhoben) auf 5 Mark (!!!) festgesetzt.

Auch wurde eine Reisekasse beschlossen, da für viele die Teilnahme an Wanderungen (z.B. mit Zugfahrten) finanziell nicht mehr möglich war.

Und plötzlich, ab Mai 1923, ist von dem so umtriebigen Albverein in Mehrstetten nichts mehr zu hören. Aber im Frühjahr 1924   meldet der Schriftführer:

„Wer glaubte, der Albverein sei tot, hat sich gründlich geirrt! Das letzte Dreivierteljahr war eine sogenannte Schlummerzeit, um jetzt zu neu gestärktem Leben zu erwachen!“

 

Fortsetzung folgt

 

 

100 Jahre OG Mehrstetten Teil 3

Teil 3
Die erste Vollversammlung der Ortsgruppe fand nach dieser „Schlummerzeit“ dann am 30. März 1924 statt. Weil es für uns fast nicht vorstellbar ist, wie schwer diese Zeit für die Menschen war, ist es wert, ein paar Sätze aus dem Protokollbuch wörtlich wieder zu geben. „Dieselbe (Anm.: die Vollversammlung) wurde durch den Vertrauensmann Karl Reutter mit der üblichen Begrüßungsansprache eröffnet;      er wies in seinem Bericht auf die schweren Folgen, welche das verflossene Jahr durch seine beispiellose Geldentwertung für unser ganzes Volk, für alle Schichten auf den verschiedenen Gebieten sich ausgewirkt hat. Besonders ausführlich berichtete er, welch schwere Folgen dadurch für unsere Ortsgruppe entstanden sind. Den größten Schaden hatten wir, weil unser Vereinsvermögen vollständig verloren gegangen ist. Die gleiche Folgeerscheinung zeigte die Mitgliederbewegung, denn die Inflationszeit kannte keine Grenzen und machte nirgends Halt.“ An dieser Stelle ist es interessant, einen kurzen Blick auf diese Inflation zu werfen. Zeitzeugen, die sich noch voll erinnern können, gibt es so gut wie nicht mehr. Wer 1920 geboren wurde, wäre heute wie unsere Ortsgruppe 100 Jahre alt….Zu dieser Geldentwertung konnte es kommen, weil zum einen der erste Weltkrieg den Staat, also das Kaiserreich, Unsummen an Geld kostete. Die Goldvorräte des Staates, die als Deckung für die Reichsmark da waren, waren schon 1916 aufgebraucht und das Reich sammelte alles Gold – Geldstücke, Schmuck, usw. – von seinen Bürgern ein. Dafür bekam man Sachen aus Eisen. Der gängige Spruch dafür war: „Gold gab ich zur Wehr, Eisen bekam ich zur Ehr“. Auch anderes Edelmetall und Halbedelmetall wurde eingesammelt. Und kaum einer entzog sich dieser vaterländischen Pflicht. Ganze Geldvermögen von Familien, die sie in Goldmark angespart hatten, gingen so verloren. Dazu muss man wissen, dass bis 1914 jeder deutsche Bürger, den Anspruch hatte, sein Papiergeld auf der Bank gegen die üblichen 20- oder 10- Mark Goldstücke umgetauscht zu bekommen. Und nicht wenige hatten so einen kleinen Goldschatz zuhause. Zum anderen verlangten die Siegermächte des ersten Weltkrieges von Deutschland Bezahlung (Reparationen) für Kriegsschäden und die Kosten ihrer Kriegsführung, und zwar in Gold oder aber in Sachleistungen. Ganze Wälder wurden für   Holzlieferungen z.B. nach Frankreich gefällt. Wo in einer Flurkarte das Wort „Franzosenhau“ auftaucht, weiß man, warum das so heißt. Getreide, Pferde, Kühe, alles wurde genommen, das Besitztum z.B. bei Bauern wurde genauestens kontrolliert. Als Deutschland in größter Not die Lieferung von Kohle einstellte, rückten französische Truppen in das Ruhrgebiet ein, um die Lieferungen sicher zu stellen. Die Folge all dieser Ereignisse war ein immer geringeres Angebot an Waren. Papiergeld war genug da, denn der Staat – die Weimarer Republik – hatte in seiner Not begonnen, immer mehr Papiergeld zu drucken, um damit seine Schulden zu tilgen. Das wenige an Waren wurde immer teurer, im Ausland gab es für das schlechte, ungedeckte Papiergeld nichts zu kaufen, die Folge war, speziell im Jahr 1923 eine galoppierende Inflation. Am Beispiel von 1 Pfund Brot lässt sich die Preisentwicklung sehr gut verfolgen:
Mitte    1914                           13 Pfennig
Mitte    1918                           26 Pfennig
Mitte    1920                        1,20 Mark
Mitte    1922                        3,50 Mark
Januar 1923                    700 Mark
Mai      1923                  1200 Mark
August 1923              100 000 Mark
Sept.    1923           2 Millionen Mark
Okt.      1923       670 Millionen Mark
Erst mit der Einführung der Rentenmark ab November 1923 gelang es, die Preisentwicklung zu stabilisieren. Dann kostete das Pfund Brot wieder normale 35 Pfennig. Das war die Entwicklung, die auch die Albvereinsortsgruppe Mehrstetten – wie alle anderen auch – in den Jahren 1920 bis 1924 durchmachte und wovon bei der Vollversammlung im März 1924 der Vertrauensmann Karl Reutter berichtete. Schwer gebeutelt, aber trotzdem voller Zuversicht, wollte sich der Verein wieder seinen Aufgaben zuwenden, ganz besonders auch der Anlage der Hüle, dem Ehrenhain für die Gefallenen des 1. Weltkrieges. Leider schweigt das Protokollbuch aber über die Errichtung des Kriegerdenkmals an dieser Stelle. Dies fand im Jahre 1926 statt. In den Jahren nach 1926 waren die Hauptbestrebungen, neue Mitglieder zu gewinnen. Mit Vorträgen, z.B. über eine mehrtägige Gebirgswanderung von 3 jungen Albvereinlern, des Heimatdichters Hans Reihing oder über den Vogelschutz versuchte man, vor allem junge Leute für den Albverein zu begeistern. Aber es wurde schwieriger, einen Wanderplan zu erstellen. Das Protokoll berichtet von einer Versammlung, dass bei der hitzigen Diskussion über den Wanderplan infolge der Gewitterschwüle an diesem Tag wohl der Durst der Versammelten etwas zu groß gewesen war und man sich nur auf eine Wanderung ins Kleine Lautertal einigen konnte. Neu im Programm waren nun Radwanderungen, die besonders im Frühling immer wieder ins Lenninger Tal oder nach Gomaringen führten, und Wanderungen zur Vogelbeobachtung. Nach 9 Jahren wurde mit großem Dank bei einer eigens einberufenen Versammlung der treue Schriftführer Otto Failenschmid nach Weilheim/Teck verabschiedet. Seine Aufgabe übernahm Ludwig Eberhardt, der seine Protokolle immer unterschrieb mit Eberhardt, Rottenführer. Ihm folgte bald darauf Fritz Eberhardt. Dass das Feuer der Begeisterung der Anfangsjahre nicht mehr so hell loderte, kann man einem Eintrag im April 1931 entnehmen: Bei einer Ausschusssitzung im Wohnzimmer des Vertrauensmannes Karl Reutter wurde beschlossen: „Auf die Aufstellung eines Wanderplanes wird verzichtet, da erfahrungsgemäß doch niemand an den Wanderungen teilnimmt. “Auf und ab im Vereinsleben – nicht nur heute. Auch schon damals.

Fortsetzung folgt.